„Sanktionen im SGB II – nur problematisch oder verfassungswidrig?“ Unter dieser Überschrift fand am 25.6.2013 in Berlin ein Streitgespräch zwischen Wolfgang Nešković (Richter am Bundesgerichtshof a. D., unabhängiger Bundestagsabgeordneter) und Prof. Dr. Uwe Berlit (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht) statt.Anlass war der Aufsatz von Wolfgang Nešković und Isabel Erdem: "Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV" (in Die Sozialgerichtsbarkeit, Nr. 03/12) von dem wir (AG Sanktionen der Berliner Kampagne gegen Hartz IV) vermuteten, dass er außerhalb der Fachöffentlichkeit nur punktuell bekannt geworden ist.Die Frage der Verfassungskonformität der Sanktionsregelungen ist – wenngleich
faktisch nur aus Sicht einer kleinen Minderheit der JuristInnen – seit Jahren
umstritten. Während das Gros der JuristInnen der Meinung ist, es käme "nur" auf
eine verfassungskonforme Anwendung der Regeln an, sieht besagte Minderheit vor
allem Teilbereiche als nicht verfassungskonform an. Nešković/Erdem dagegen
argumentieren, die Sanktionsregelungen seien grundsätzlich verfassungswidrig.
Dass die Frage bedeutsam ist, zeigte das starke Interesse an der Veranstaltung. Es war so groß, dass nicht alle der rund 130 Besucher – darunter viele Juristen und Erwerbslose, aber auch Sozialpolitiker und Sozialberater – einen Sitzplatz fanden. Während der dreistündigen Debatte herrschte überaus konzentrierte Atmosphäre im Saal. Wenngleich eine Annäherung zwischen den verschiedenen Positionen kaum erwartet werden konnte, so war doch die weitgehend konstruktive Debatte ausgesprochen spannend und aufschlussreich, die unterschiedlichen Positionen begründet und in ihrer Genese bzw. jeweiligen Logik zunächst nachvollziehbar. Trotzdem mussten für den Anfang – auch wenn die Kontrahenten ihre Positionen ausführlich erläuterten – entscheidende Fragen offen bleiben. Zum einen wurden einzelne Argumente nicht hinreichend ausgetauscht oder einer (annähernden) Klärung zugeführt: So gab es z. B. keine Antwort auf den Hinweis, dass der Nicht-Annahme-Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 – 1 BvR 2556/09– sowohl von der Bundesregierung als auch überwiegend in der Literatur aus dem Zusammenhang gerissen wird und als Beleg für die Berechtigung von Sanktionen nicht taugt. Zum anderen fehlte die Zeit, grundsätzlichen Fragen nachzugehen, etwa der Frage, ob die Schlussfolgerungen aus der rechtsdogmatischen Feststellung tragfähig sind, dass es sich beim Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht um ein Abwehr-, sondern um ein Leistungsrecht handele.Weitere Fragen, die einer Fortsetzung und Vertiefung der Debatte bedürfen, sind z. B.:
Dessen ungeachtet wurden in der Veranstaltung doch zahlreiche Argumente aufgezeigt, die zum Beispiel in Prozessführung und Beratung genutzt werden können. Zu r Veranschaulichung der Argumente wie auch der Veranstaltung selbst siehe:
Zwei Berichte:
Thesen (Kurzfassung):
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